Eine Frage des Stils – Hilfe, mein Selbstbild hängt schief!

Voller Elan und mit der Kraft ungeahnter Energiereserven erhöhe ich das Tempo. Nur noch wenige hundert Meter bis zum Ziel – noch einmal gebe ich alles. Ich renne, die Knie heben sich, die Füße fliegen. Ich spüre Wind im Gesicht. Beim Endspurt eines Laufs fühle ich mich wie ein echter Sportler. Diese Dynamik, dieses Tempo, dieses Gefühl, dieser Stolz!
Und dann sehe ich Fotos und weiß: Da stimmt was nicht.

Was zum Henker läuft da falsch? Ich laufe falsch! Aber warum? Und warum merke ich das nicht? Selbst wenn ich beim Laufen ganz, ganz sicher weiß, dass meine Knie bei jedem Schritt in gefährliche Nähe zu meinem Kinn kommen und das andere Bein, weit, weit nach hinten fliegt, holt mich der Foto- oder Videobeweis gnadenlos auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ich muss der Wahrheit ins Gesicht blicken: Ich laufe scheiße.

Ich mache fast alles falsch

Was mache ich falsch? Um es kurz zu sagen, eigentlich alles, von dem ich beim Laufen das Gefühl habe, es richtig zu machen. Ich kann quasi laufen, ohne die Oberschenkel zu benutzen. Irgendwie sieht es so aus, als machte ich jede Bewegung nur aus dem Knie heraus. Das führt zu einem oftmals schlurfenden Schritt. Flugphase? Vergiss es! Bei schnellen Intervallen vielleicht, aber nicht bei langen Dauerläufen oder anderen Einheiten. Vermutlich nicht mal bei Fünfern oder Zehnern.

Von oben nach unten stellt sich meine Laufbewegung so dar: Der Kopf blickt geradeaus, der Oberkörper ist kerzengerade. Die Arme schwingen längst nicht so, wie sie sollten, aber das Läuferdreieck ist immerhin passabel, vielleicht zwei Zentimeterchen zu hoch. Aber die Zeiten, da meine Arme beim Laufen quasi in den Achselhöhlen steckten, sind immerhin vorbei.

Keine fließende Bewegung, nirgends

Die Hüfte ist steif. Die Oberschenkel deuten eine Laufbewegung an und von den Knien abwärts geht die Post ab, da verrichten Unterschenkel und Füße ihren Job.

Wenn ich einmal versuche, ökonomischer zu laufen, also mit Kniehub und Flugphase, ist das sehr anstrengend, zieht hinten in den Oberschenkeln und fühlt sich richtig professionell an – was mit der Realität natürlich nichts zu tun hat. Ich merke, dass ich deutlich schneller bin als mit meinem üblichen Schlurfschritt. Aber für mich ungeübten Kniehebläufer ist es anstrengend.

Ursachen für einen schlechten Laufstil

Warum laufe ich so und nicht anders? Die einfache und bequeme Antwort ist schlicht: Weil mir nie jemand gezeigt hat, wie es geht. Mir hat noch nie jemand beim Laufen den Spiegel vorgehalten, mich unterwegs korrigiert. Ich habe Videos gesehen und Bücher gelesen und weiß daher, wie es in etwa aussehen müsste – aber ich weiß nicht, wie es sich beim Laufen anfühlen müsste.

Die komplexere Antwort ist lösungsorientierter, weil sie meine körperlichen Defizite beinhaltet: steife Hüften, verkürzte Oberschenkelmuskulatur zum Beispiel. Als spätberufener Läufer (mit 39,5 Jahren habe ich begonnen) fällt es mir schwer, jetzt noch neue Bewegungsabläufe zu lernen und zu automatisieren. Dazu kommt, dass ich das Laufen eigentlich ohne Ambitionen begonnen und darum wenig Energie und überhaupt keine Zeit in Dinge wie gezieltes Techniktraining oder Gymnastik investiert habe.

Dehnen, Stabis, Lauf-ABC und Yoga

Ich dehne viel zu selten nach dem Laufen, obwohl ich weiß, dass es mir guttut. Wenn ich morgens vor der Arbeit laufe, ist mein Zeitplan so eng, dass ich keine Zeit zum Dehnen habe. Laufe ich abends, habe ich nach dem Laufen keine Lust. Ich bin ein Lauf-ABC-Analphabet und integriere diese simplen Übungen natürlich so gut wie nie in meine Läufe.

Ja, die Wahrheit ist unbequem. Ich weiß nicht, was ich in meinem Alter noch an meiner Technik verbessern kann, aber offenbar sollte ich es zumindest versuchen. Seit einigen Tagen mache ich wieder Yoga, und Ansätze des Lauf-ABCs haben den Weg in mein Training gefunden. Die so ungeliebten Stabis mache ich seit Jahresbeginn mindestens einmal in der Woche, was dem Rücken schon merklich guttut.

Leicht wird es nicht!

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