Dortmund, 3. Oktober. Mein Lieblings-Halbmarathon, meine Heimat. Drei Jahre Pause waren genug – 2025 war ich endlich wieder am Start. Der Phoenixsee-Halbmarathon ist nicht gerade ein Bestzeit-Kurs, aber er führt zu 90 Prozent über meine verschiedenen Hausstrecken. Mehr Heimat geht nicht. Dazu kommen ein paar knackige Anstiege und viele Tempo-Passagen.
Ich stehe mit Sascha und Wiggy im Startblock. Beide sind eigentlich schneller als ich und peilen auch schnellere Zeiten an. Ich will einfach mein Tempo laufen, kontrolliert und ohne mich mitreißen zu lassen. Realistisch müsste eine 1:50 sein, auch wenn ich mit der nicht wirklich zufrieden wäre.

Der Startbereich am Phoenixsee ist wie bei den vergangenen Auflagen schon, zu eng. 5000 Läufer sind einfach viel zu viel für die Fläche, zumal auch in diesem Jahr wieder viele, viele Läufer den Sinn von nach Zielzeit geordneten Startblöcken nicht verstanden zu haben scheinen. Nach dem Startschuss heißt es darum erstmal: durchwurschteln. Kein Rhythmus, kein Platz, aber irgendwann läuft es. Ich verliere Sascha und Wiggy aus den Augen – bin mir aber sicher, dass ich vor ihnen bin. Keine Ahnung, wie das passiert ist, aber ich nehme es mit.
Rückblende: Vom Silvesterlauf bis zum Phoenixsee
Das Jahr fing ganz gut an. Beim Silvesterlauf 2024 hatte ich schon gemerkt, dass da wieder etwas gehen könnte. Die Beine waren besser als erwartet, und irgendwie blieb das Gefühl hängen, dass 2025 ein gutes Laufjahr werden könnte.
Im März dann der Venloop: 1:51:54, kein Rekord, aber ein Lauf mit richtig gutem Gefühl. Es war der erste Halbmarathon. Alles fühlte sich rund an.
Beim Hagener Volkslauf hatte ich 2:01:42 Stunden lang richtig Spaß auf einem harten, profilierten Kurs – kein Kilometer flach, viele Forstwege, viel Arbeit. Solide durchgezogen und auf der Zielgeraden noch Sascha abgefangen, eingesammelt und überholt. Das fühlte sich nach Bestzeit-Potenzial an.

Doch beim Friedenslauf in Dortmund-Kirchlinde sollte es nicht klappen. Lange lag ich auf Kurs PB, dann kam ein klassischer Einbruch bei Kilometer 18. 1:51:13 mit Beinen wie Blei. Aber immerhin mit der Gewissheit, dass die Form stimmt – sie muss nur noch ins Ziel kommen.
Zwischendurch Training mit allem, was dazugehört: Flow, Frust, lange Läufe und ein paar gute Wochen, gute Trainingsläufe und ein starker Firmenlauf. Ich war gut vorbereitet, die langen Läufe saßen, die Tempoeinheiten auch. Dazu frisches Schuhwerk – der Asics Superblast 2. Fühlt sich schnell und bequem an. Ich lande offenbar auch dann bei Asics, wenn ich nicht bemustert werde.
Rennverlauf: konzentriert bleiben, ruhig atmen
Die Bedingungen an diesem 3. Oktober sind perfekt: kühl, trocken, leicht bedeckt. Ich laufe kontrolliert, bleibe diszipliniert. Im Westfalenpark kommt der erste große Anstieg, den ich ruhig und gleichmäßig hochlaufe. Unten an der Verpflegung steht Roman, der mir die Superblast vor ein paar Tagen verkauft hat. Zum Grüßen habe ich aber keine Luft.
Den Anstieg bis zum Fuß des Fernsehturms meistere ich problemlos, bergab versuche ich es mit kontrollierter Offensive: so viel Tempo wie möglich, ohne die Oberschenkel zu ruinieren. Wir verlassen den Westfalenpark, laufen an der Emscher entlang. Die DSW21 stehen dort mit einer Metal-Band und heizen ein.
Dann geht es in den Rombergpark, einen Teil meiner Hausrunde. Das fiese Bergaufstück bei Kilometer 12 habe ich in den letzten Wochen mehrfach trainiert, um dort mental nicht einzubrechen. Es klappt. Ich komme oben an und habe noch frische Beine.
Ab jetzt ist es flach. Neben mir läuft eine extrem nervige Influencerin mit extrem nervigem Kameramann. Ich setze mich kurz vor sie, um ihr das Bild zu versauen – gelingt nur bedingt, denn sie ist schneller als ich und zieht wieder vorbei. Später finde ich sie auf Instagram. Fazit: noch nerviger als auf der Strecke.
Wir passieren meine Arbeitsstelle, dort ist ein Staffelwechsel – gute Stimmung, bekannte Gesichter. Der Rest ist Routine: Phoenix West, Eliasbahn-Trasse, Phoenixsee.
Die letzten Kilometer
Alles läuft gut. Sascha und Wiggy haben mich nicht überholt. Entweder sind sie heute richtig schlecht oder längst vor mir. Ich halte meine stabile Pace, kontrolliert und gleichmäßig. Ich weiß, dass ich im Schnitt etwa 5:05 min/km brauche, um an meine PB ranzukommen. Die Uhr zeigt 5:11, Tendenz fallend. Bergab wird’s schneller, die Gesamtpace sinkt weiter. Ich bin im Plan – eigentlich habe ich gar keinen.
Dann fällt mir auf, dass die Kilometer auf der Uhr nicht ganz passen. Als ich durch den 20-km-Bogen laufe, steht auf der Uhr eine mittlere 19. Egal. Die Markierung wird schon stimmen. Ich ziehe das Tempo noch einmal an.
Dann die Rampe vom See zur Zielgeraden – nur ein paar Höhenmeter, aber nach 21 Kilometern fühlt es sich an wie ein kleiner Hügel des Grauens. Ich schaue zum ersten Mal auf meine Gesamtzeit. 1:47:xx. Meine Bestzeit ist auch eine 1:47:xx – aber war’s eine hohe oder eine tiefe? Ich meine, eine hohe. Also alles raus. Endspurt, Zielbogen, durch. Dann sofort: Hände auf die Knie, würgen. Zum Glück ist mein Magen leer, die Verpflegungsstrategie ist also aufgegangen. Auf der Uhr steht 1:47:44.
Neun Sekunden
Als ich wieder halbwegs klar sehe, zücke ich das Handy und checke meine Zeiten-Liste. Meine Halbmarathon-Bestzeit liegt bei 1:47:36. Fuck! Bin ich echt um neun Sekunden an einer neuen PB vorbeigerannt? Ich hoffe auf die offizielle Zeit, habe aber kein Netz. Es dauert ewig, dann baut sich ganz langsam eine Verbindung auf. Ich schaue zur Glocke vor mir, die man läuten darf, wenn man eine neue PB erreicht hat. Darf ich? Darf ich nicht? Das Ergebnis ist da: 1:47:44. Keine Glocke.
Trotzdem bin ich zufrieden. Ich hatte mit einer 1:50 gerechnet. Das war kontrolliert, stabil, konstant. Und auf diesem Kurs so nah an der PB zu laufen, ist eigentlich schon ein Sieg. Obwohl … meine bisherige PB stammt ja auch von hier. Der Kurs liegt mir wohl.
Kritik am Phoenixsee-Halbmarathon
So sehr ich den Lauf mag – das Gelände rund um den Phoenixsee platzt aus allen Nähten. Die Toiletten-Situation war noch nie gut und wird mit wachsender Teilnehmerzahl nicht besser. Von der Parkplatzsituation ganz zu schweigen.
Im Zielbereich ist die Verpflegung top, aber der Ausgang ist ein Engpass, an dem sich alles staut – besonders unangenehm, wenn man verschwitzt im herbstlichen Wind steht. Ich bleibe bei meiner Meinung: Start und Ziel gehören auf das Phoenix-West-Gelände. Mehr Platz, mehr Ruhe, bessere Parkmöglichkeiten.
Ausblick
Neun Sekunden hin oder her – das war einer meiner besten Halbmarathons seit Jahren. Aber ich will’s wissen. Am 8. November starte ich beim RUNschnellweg zwischen Mülheim und Essen. Flach, schnell, ohne Rampe am Ende. Vielleicht läutet dann endlich die Glocke.