Abbruch oder nicht: Was tun, wenn beim Lauf jemand stirbt?

Das Thema ist nicht neu und wird vermutlich niemals endgültig beantwortet werden: Wie sollen Veranstalter handeln, wenn im Rennen jemand stirbt? Eine Folge des „Bestzeit“-Podcasts ordnet das Thema sehr gut ein.

Beim Iron Man in Hamburg kam es zu einem tragischen Todesfall. Das Besondere dabei: Der Unfall, bei dem ein Kamera-Motorrad mit einem radfahrenden Triathleten kollidierte, geschah vor laufenden Kameras. Entsprechend eindrucksvoll sind die Bilder.

Podcast „Bestzeit“ mit Sonderfolge zum Thema

Über die Umstände des Unfalls, den Umgang des Veranstalters damit und was alles schief gelaufen ist, sprechen Ralf Scholt und Phlipp Pflieger in einer eigens zum Thema produzierten Folge ihres Podcasts „Bestzeit“ mit dem Veranstalter des Roth-Triathlons Felix Walchshöfer, der heftig und emotional Klartext redet.

Sie nähern sich dem Thema meiner Ansicht nach sehr behutsam, aber mit der gebotenen Klarheit. Und vor allem zeigen sie auf, dass der Ruf nach einem Rennabbruch zwar leicht dahergesagt ist, die Umsetzung aber unzählige Probleme mit sich bringen würde. Hut ab auch vor Ralf Scholt, dem ich (meine ich) angehört habe, dass er bei der Aufnahme schon ziemlich schlucken musste, weil er einfach mega angefasst von der ganzen Situation war. Die steckt auch ein alter Presse-Haudegen nicht so einfach weg.

Warum ich einen Rennabbruch falsch finde

Kurz gesagt: Weil das Leben für alle Anderen weitergeht.

Lang gesagt: Weil das Thema komplex ist. Denn Todesfälle gibt es bei allen möglichen Sportveranstaltungen. Bei Marathons kann man inzwischen sagen, dass der Tod immer mitläuft. Ich bin beim Silvesterlauf von Werl nach Soest an Sanis vorbeigelaufen, die gerade vergebens versuchten, einen Läufer zu reanimieren. Bei einem Venloop und bei einem Vivawest-Marathon, bei denen ich am Start war, sind Menschen gestorben. Es ist tragisch, und meistens erfährt man es erst hinterher.

Aber wie soll man reagieren, wenn jemand aus unserer Mitte gerissen wird? Mit Pietät. Aber wie sieht die aus? Es war pietätvoll, dass das ARD-Team von Ralf Scholt beschlossen hat, die Übertragung des Iron Man in Hamburg abzubrechen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Scholt den Unfall live mitbekommen hat. Dieses Verhalten war professionell und menschlich absolut korrekt.

You’ll never walk alone: Todesfall im Stadion

Als Kompass dafür, wie es geht, sei hier die Südtribüne des Westfalenstadions genannt. 2016 machte bei einem Heimspiel des BVB langsam, ganz langsam die Nachricht die Runde, dass auf den Sitzplätzen ein Fan gestorben war. Alle, wirklich alle Fans schwiegen nur noch. Das Spiel wurde zum ausverkauften Geisterspiel. Binnen weniger Minuten schafften es mehr als 80.000 Menschen sich von einem der ihren zu verabschieden, mit dem 99,9 Prozent von ihnen nur gemeinsam hatten, dass sie hier und jetzt zusammen Fußball gucken wollten.

Ich glaube, wir haben damals den richtigen Weg gefunden. Und so finden auch die Veranstalter in der Regel den richtigen Weg. Sie machen weiter, aber anders, leiser. Der Iron Man in Hamburg war leider nicht leiser. Er ging mit vollem Brimborium weiter. Das muss man den Veranstaltern vorwerfen. Ein sofortiger Abbruch wäre in einem Feld mit Tausenden Teilnehmern allerdings kaum vermittelbar gewesen.

Die Moral ist schneller als das Hirn

Natürlich ist die Moral ganz schnell und ihre Apostel erst recht. „Wie kann man nur!?“, heißt es dann. Schnell heißt es, der Kommerz stehe über dem Leben, die Show müsse immer weitergehen (was Freddie uns in seinem Lied bestätigt), koste es, was es wolle. Nein, eben nicht koste es, was wolle. Sondern nach Abwägung vieler Umstände. Seien es organisatorische, sicherheitstechnische oder – ja, auch das – finanzielle.

Auch den richtigen Weg gefunden haben Tom Bartels und die ARD, als neben dem Stade de France zwei Bomben explodierten und Paris von einem fürchterlichen Terrorangriff heimgesucht wurde. Wie das damals für ihn war, schildert Bartels im Podcast mit Jörg Thadeusz.

Tour de Suisse geht weiter, Teams ziehen zurück

Auch der tragische Tod des Schweizer Radprofis Gino Mäder bei der Tour de Suisse zeigt, wie Organisatoren sowie direkt und indirekt Betroffene mit solchen Fällen umgehen: Die Rundfahrt wird unterbrochen, es wird ehrlich getrauert. Verständlicherweise zieht sich das Team von Mäder zurück. Danach geht es weiter, mit der Tour und dem Leben.

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